
Flachs wird geerntet, die Stängel werden im feuchten Milieu oder im Bach zum Rotten ausgelegt. Nach dem Trocknen werden die Stengel gebrochen und gehechelt, damit werden alle groben Pflanzenteile entfernt. Zurück bleibt nur der Bast, der nach einiger Zeit der Lagerung versponnen wird. Arbeitsaufwändig ist die Herstellung des Leinengarns und viel Zeit nimmt es in Anspruch.
Die Leinengarnfäden verarbeitet der Schuhmacher mit Schusterpech (ich benutze eine Mischung aus Baumharz und Bienenwachs) zu einem Schusterdraht, auch Pechdraht genannt. Schusterpech klebt die Fäden zusammen, schützt den Draht gegen Feuchtigkeit und macht ihn haltbarer.
Jetzt fehlt nur noch die Schweineborste, diese nimmt der Schuster aus dem Nackenbereich eines Wildschweins, idealerweise aus dem Winterfell. Diese Borsten sind lang und robust und damit gut geeignet zum Nähen der Schuhe. Die Schweineborste schlängelt sich durch die mit einer Ahle gestochenen Stichkanäle im Leder und bahnt somit den Weg für den Pechdraht.
Es ist nicht abschließend geklärt, mit welchem Nähmedium die Schuhmacher im Hochmittelalter überwiegend arbeiteten. Es gibt bisher keine hochmittelalterlichen Funde von Pechdrähten in Verbindung mit einer Schweineborste oder einer Nähnadel, lediglich Pechdrähte in Schuhfunden konnten nachgewiesen werden, vereinzelt wurden auch dünne Lederriemen oder Garne aus tierischen Haaren nachgewiesen. Die meisten Funde deuten auf einen Garn aus pflanzlichen Fasern hin.
Schriftliche Quellen für die Verwendung einer Schweineborste:
"Qui alutarii secant cum rasorio vel ansorio corium atramentario denigratum, et consuunt calciamenta cum subula et licino et seta porcina."
Johannes de Garlandia, Dictionarius, 26-9
Johannes de Garlandia (auch genannt Johannes Anglicus, Jean de Garlande, John of Garland) wurde um 1195 geboren und starb nach 1272 (Quelle: wikipedia).
Meine freie deutsche Übersetzung oben genannten Satzes in einem seiner Lehrschriften lautet:
"Diese Lederarbeiter schnitten das Leder mit einem Schustermesser nachdem sie dieses mit einem Färbemittel geschwärzt/abgedunkelt (?) hatten. Sie fügten das Leder zusammen mit einer Ahle, einem Faden und einer Schweineborste."
Die Übersetzung nahm ich anhand einer englischen Übersetzung vor:
"These leatherworkers, after having darkened the [tawed] leather with a colouring matter, cut it with a razor or cobbler´s knife, and they put together the footwear with an awl and thread and pig bristles."
The Archaeology of York, Volume 17: The Small Finds, General Editor: R.A. Hall.
Ein weiterer Hinweis auf die Verwendung einer Schweineborste findet sich in einer Textzeile in dem Gedicht vom Schwein und dessen Nutzen, verfasst von dem "König vom Odenwald".
"Ein ieglich schuworchter mag der bursten nicht enper"
Hochdeutsche Übersetzung: "Kein Schuhmacher kann auf Borsten verzichten"